Einvernehmliche Kriterien, welche die Programmauswahl der Sektion Langfilm prägen, sind die politische, soziale und kulturelle Relevanz der Themen sowie die filmkünstlerische Bearbeitung der eingereichten Beiträge. Neben klassischen Darstellungsweisen sollen seit jeher durch die Präsentation innovativer Formate vermeintliche Grenzen des Genres sowie die Macht, Manipulierbarkeit und Manipulationskraft der Bilder zur Diskussion gestellt werden. Zudem erhalten Low- oder No-Budget-Produktionen und Nachwuchsarbeiten sowie neue Projekte alt bekannter Filmemacher*innen auf dem Kasseler Dokfest in den Sichtungen besondere Aufmerksamkeit. Denn dokumentarfilmische Schaffensprozesse kontinuierlich zu begleiteten, ist uns ebenso ein Anliegen, wie den Perspektiven mutiger und außergewöhnlicher Projekte eine Plattform zu bieten.
Verantwortlich für die Auswahl sind die Mitglieder der Sichtungskommission, die sich aus Personen mit unterschiedlichen professionellen Hintergründen zusammensetzt. Neben ihrem Interesse am politischen und kulturellen Weltgeschehen und der Neugier auf mutige und unkonventionelle (Lebens-) Geschichten vereint die Gruppe eine cineastische Obsession für den dokumentarischen Film in all seinen inhaltlichen und ästhetischen Gestaltungsformen sowie die Freude an leidenschaftlichen Diskussionen über die besten Dokumentarfilme für das Kasseler Filmfest.
Selbstverständlich kann aus der zunehmenden Fülle herausragender Arbeiten alljährlich nur ein Ausschnitt gegenwärtigen Dokumentarfilmschaffens gezeigt werden, der formal und inhaltlich ein möglichst breites Spektrum abdecken und während der Festivaltage ein ebenso breites Publikum erreichen soll.
Auswahlkommission 2025: Sarah Adam, Paula Berger, Senem Aytaç, Joachim Kurz, Sita Scherer, Dennis Vetter
Mitarbeit: Stefanie Gaus, Anja Klauck, Cosima Lange, Christine Rogi
In der Gleichzeitigkeit unserer heutigen Welt sind Optimist*innen seltener geworden. An Orten, an denen neue Ideen für eine gerechtere Zukunft wachsen konnten, werden mühsam erkämpfte Errungenschaften wieder abgebaut. Rechte Strömungen gewinnen an Einfluss, Kriege dauern an. Künstliche Intelligenz erleichtert vieles und bringt zugleich ganze Berufsfelder ins Wanken. Die Ressourcen der Welt erschöpfen sich – und manchmal auch die eigenen.
Unzählige Augen sehen auf der ganzen Welt viele Dinge. Was für ein Glück, dass vieles davon festgehalten und in eine künstlerische filmische Form gebracht wird. Wenn wir im Kinosessel Platz nehmen, öffnet sich für eine begrenzte Zeit ein Fenster zur Welt. Aus den knapp 600 Langfilmen, die uns erreicht haben, haben wir 39 Werke ausgewählt, die uns bewegen, herausfordern, zum Lachen und zum Nachdenken bringen. Viele von ihnen erzählen von Menschen, die trotz widrigster Umstände die Hoffnung nicht verlieren. Sie verweben drängende Fragen unserer Zeit mit persönlichen Geschichten und machen uns sichtbar, was sonst oft im Rauschen des Alltags untergeht. Stark vertreten sind in diesem Jahr Stimmen aus Israel und Palästina, die den Krieg nicht allein dokumentieren, sondern ihn durch künstlerische und mediale Prozesse reflektieren. Doch die angewählten Filme zeigen uns weit mehr als nur politische Dringlichkeit. Wir begegnen Absurdem, Humorvollem, Unerwartetem und Bekanntem in überraschender Form. Wir tauchen ein in komplexe Familiendynamiken und utopische Experimente, erleben poetische und essayistische Seherfahrungen. Formal wie inhaltlich nehmen wir ungewohnte Perspektiven ein, erweitern Horizonte, achten auf Details und suchen das große Ganze. Richten den Blick auf die nahe Umgebung und bleiben offen für Neues. Die gemeinsame Seherfahrung im dunklen Kino schafft dabei auch etwas Verbindendes. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die dem Beharren auf Gestern einen starken Blick nach vorne entgegensetzen, die der Vereinzelung mit Gemeinschaft begegnen. Die Beziehungen, die in unserer Filmauswahl zwischen Menschen, der Natur und unserem Planeten gespannt werden, sind vielzählig und vielfältig. All diese künstlerischen Positionen zeigen uns, dass wir nicht auf uns allein gestellt, sondern verbunden sind: mit den Geschichten anderer, mit der Welt, mit dem, was war, und mit dem, was noch werden kann.